Oktober 2016

Von wegen “zu teuer” – Sparen ist unerwünscht!

Wen wundert aufgrund jahrelanger Diskussionen in Sachen Preisgestaltung der Pharmaindustrie folgender Fall, der an das von Rumpelstilzchen erinnert, in dem Stroh zu Gold gesponnen wurde. Die Fakten stammen von einem Nervenarzt, der sehr aktiv in unserer Bürgerbewegung mitmacht. Um was geht es? Einmal mehr um die Macht der Pharmaindustrie und deren Einfluss.

Fumarsäure wird in Pulverform in der Lebensmittelindustrie verwendet. In den vergangenen Jahren merkte man, dass diese Säure, genauso wie ihr Derivat Dimethylfumarat, das schon länger auf dem Markt ist, auch bei Schuppenflechte helfen könnte. Und dass dieser Wirkstoff sogar als Arznei für Patienten einsetzbar wäre, die unter Multipler Sklerose leiden.

In Bochum lief eine große Studie dazu. Der Nervenarzt hatte zusammen mit einer Apothekerin überlegt, wie diese Fumarsäure für seine Patienten zu Tabletten gepresst werden können. Da das Pulver einfach zu erhalten ist, lagen die Kosten für die Tabletten am Tag bei etwa drei Euro. Weil er ein sehr gründlicher Arzt ist, schrieb er vor zwei Jahren verschiedene Krankenkassen an und beantragte für ein halbes Dutzend seiner MS-Patienten die Kostenübernahme für Fumarsäure zu ca. 3,80 Euro pro Tag.

Er bekam durchweg die Antwort, dass die Kasse das nicht übernehme! Wie im Brief des «Kundenservice» der Audi BKK einsilbig zu lesen steht: «Der begutachtende Sozialmediziner ist zur Empfehlung gekommen, dass […] die Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Rezeptur mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.

Mich informierte ein Arzt aus der Oberpfalz. Ein neues Medikament war mittlerweile für MS-Patienten auf den deutschen Markt gekommen. Name: «Tecfidera», Tagestherapiekosten: um die 77,54 Euro! Der Wirkstoff: Fumarsäure.

Der Hersteller hat noch ein weiteres Fumarsäure – Produkt im Angebot. Wenn man denselben Wirkstoff für die Behandlung von Schuppenflechte kauft, dann liegen für das Mittel «Fumaderm» die Tagestherapiekosten nur noch bei 12,48 Euro. Und wenn’s die Apotheke selber herstellt, dann kostet die Therapie am Tag knapp über drei Euro.

Es stinkt zum Himmel! Zurück zu der ewigen Kassenlitanei „Es wird alles teurer“ die von den sogenannten Gesundheitsexperten in der Politik, brav und ungeprüft nachgeplappert werden. Hier müssen wir uns fragen: Warum werden diese teuren Medikamente dann überhaupt zugelassen? Zum Beispiel vom Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Richtlinien für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für mehr als 70 Millionen Versicherte bestimmt und damit festlegt, welche Leistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden!!??

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TK Chef lanciert alten Wein in neuen Schläuchen!

Es herbstet und im Blätterwald rauscht es. Die Aussage der  Chefs der Techniker Krankenkass, Jens Baas, Krankenkassen würden ihre Patienten systematisch kränker erscheinen lassen, mit dem Ziel an mehr Geld zu kommen, wird zur Schlagzeile. Das Fazit des Kassenbosses, selbst Arzt, ohne diese Manipulation könnte der Beitrag in den gesetzlichen Kassen niedriger sein! Gut gebrüllt Löwe und nun? Laut Baas schummeln die gesetzlichen Krankenkassen im großen Stil bei den Abrechnungen. Ich frage mich, was ist in der Sache neu? OK, es ist ein Kassen Boss, der dies sagt und in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einräumt: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ OK stimmt, diese Praxis kann ich bestätigen und das habe ich bereits im Jahr 2009/2010/2014 in allen Facetten, mehrfach publiziert. Ja, genau dieses codieren von Krankheiten, ist eine Möglichkeit den Kassen mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich zukommen zu lassen! So und wer bitteschön kümmert sich nun darum, diesen Betrug aufzuklären? Denn laut TK Chef schummeln die Kassen im großen Stil bei der Abrechnung von Leistungen. Er geht noch weiter: “Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen.“ Es gebe sogar Verträge mit Ärztevereinigungen, die mehr und schwerwiegendere Diagnosen zum Ziel hätten. Die Kassen ließen sich zudem in dieser Richtung von Unternehmensberatern beraten, erläuterte Baas.

Schauen wir einmal auf den Hintergrund: Seit 2009 gibt es in Deutschland den Gesundheitsfonds. Entstanden durch einen Deal zwischen Ulla Schmid (damals Gesundheitsministerin!!) und Angela Merkel (schon damals Kanzlerin!!) Die eine wollte die Bürgerversicherung, die andere eine Kopfpauschale. Raus kam der völlig unsinnige, katastrophale, Geld versenkende Gesundheitsfonds! Und? Jetzt im Jahr 2016 wird im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017, eine Neuauflage zu dieser Diskussion – Bürgervesicherung, Kopfpauschale usw.kommen! Die Finanzierung der Krankenkassen wurde 2009 komplett renoviert. Kassen mit älteren und kränkeren Mitgliedern bekommen seitdem mehr Geld. Lukrativ sind also die Patienten,  die eine Krankheit haben, die vom Gesundheitsfonds gut bezahlt wird.Die niedergelassenen  Ärzte müssen dazu Diagnosen codieren.Das hat nichts mit den Ziffern der Abrechnung für die  Kassenärztliche Vereinigung zu tun. Der Hausarzt übermittelt codierte Diagnosen, nach deren Schweregrad sich richtet, wieviel Geld die Krankenkasse für diesen Patienten aus dem Gesundheitsfonds bekommt. Auch die Diagnose «Diabetes» allein ist noch nicht sonderlich lukrativ. Das wird sie, wenn ein  Diabetes mellitus zum Beispiel mit unterschiedlichen Komplikationen  codiert wird. «In die Tiefe kodieren» wird das in Insiderkreisen genannt.

Nach dem Prinzip  ” Eine Hand wäscht die andere, selbst  wenn sie dreckig ist ” erlebte ich bereits 2009, wie mit einer Selbstverständlichkeit in Ärztekreisen “sehr wohlwollend” codiert worden ist. Nicht nur ein  Arzt berichtete mir, dass genau an solchen Möglichkeiten wie Codieren oder über Programme wie das Disease-Management-Programm (DMP) von  Ärzteseite Druck auf die Kassen ausgeübt, aber auch Dankbarkeit gegenüber den Kassen gezeigt werden kann. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist im Gange.

Beim DMP geht es um Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, die auch Chronikerprogramme genannt werden.Es geht um die organisierte Steuerung von chronisch  kranken Patienten und kommt aus den USA. Wichtig dabei ist: Es geht auch hier hauptsächlich um den Geldfluss. Die Kassen bekommen für jeden DMP-eingeschriebenen Patienten ein sattes Mehr aus dem Gesundheitsfond.  Ärzte können eine Einschreibepauschale von 25 Euro und eine Folgedokumentpauschale von 15 Euro pro Quartal abrechnen. Da gibt es  Ärzte, die sagten mir, sie machten in ihrer Praxis DMP,weil Kleinvieh auch Mist mache. Andere dagegen ließen die Finger davon, da die Honorierung für den Zeitaufwand der geforderten Dokumentation sowie für die Extrabehandlung viel zu gering sei.

Und schon wird ein neues Fass aufgemacht, auf dem steht: Priorität hat der Geldfluss! Patienten bekommen nach der Diagnose, ein Chroniker zu sein, von ihren Kassen Briefe, sich unbedingt in das DMP-Programm einschreiben zu lassen. Es sei wichtig wegen ihrer chronischen Erkrankung, und die Kasse wolle sie doch bestens begleitet wissen. Wirklich? Fehlt da nicht noch ein Satz? Lieber Patient, du bist für mich, deine Krankenkasse, ein Ventil am großen Geldtopf Gesundheitsfonds. Um so kränker du auf dem Papier bist, um so lieber bist du mir Patient! Also bitte schnellstens einschreiben, damit sich dieses Ventil  öffnet. Und nun steht er da, der chronisch Erkrankte mit seinem Diabetes, seiner koronaren Herzkrankheit, seinem Asthma, seiner obstruktiven Lungenerkrankung, als Spielball zwischen dem Arzt und der Kasse. Der Druck von Ärzteseite entsteht gegenüber den Kassen, wenn  Ärzte sich weigern, beim DMP mitzumachen und Chroniker einzuschreiben. Erlebt habe ich, wie Ärztefunktionäre vor Honorarverhandlungen zu solchen kollektiven Verweigerungsmaßnahmen, übrigens erfolgreich,geraten haben.

Am 5. Dezember 2008 wurde vom verhandelnden Vorstand des BHÄV (Bayerischer Hausärzteverband) ein Rundbrief an die Ärzte verfasst, wonach sie sich der Situation angepasst verhalten sollten. Hier ein Auszug aus dem Schreiben: ”Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie uns berichtet wird,schwärmen gerade Mitarbeiter der AOK aus, um Ihnen in Ihrer Praxis Nachhilfeunterricht im Codieren der Diagnosen zu geben. Was steckt dahinter? Die Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen erfolgt ab 01.01.2009  morbiditätsgewichtet. Das heißt, je genauer Sie die Diagnosen  angeben, desto mehr Fond-Gelder fließen an die AOK. Es ist z. B. ein großer Unterschied, ob Sie nur die Diagnose  ”Diabetes”  oder ob Sie die Diagnose  ”Diabetes mit Retinopathie” codieren.

Seit Juni dieses Jahres werden wir von der AOK mit einer Ausschreibung zu einem Hausarztvertrag nach altem Recht hingehalten. […] Denken Sie daran, den bisherigen AOK-Vertrag mussten wir uns auch erkämpfen. Verweisen Sie die AOK-Mitarbeiter aus Ihren Praxen. […] Wir werden die AOK erst dann unterstützen, wenn ein Hausarztvertrag nach § 73b neu mit uns unterzeichnet ist. […] Eine Zusammenarbeit mit der AOK wird es erst nach Abschluss eines Hausarztvertrages geben. […]»

Bereits Tage später, am 17.12.2008 ging per Fax vom Vorstand des BHÄV ein vierseitiges Schreiben, adressiert an alle Hausärztinnen und Hausärzte, in dem dieselbe AOK als Retter der  Hausärzteschaft bejubelt wurde. Auszug:

«Liebe Kolleginnen und Kollegen, die AOK Bayern sichert das Überleben der Hausarzt-Praxen! Die AOK hat mit uns folgenden Vertrag geschlossen: Quartal 1/2009 […] wir können Ihnen nur empfehlen, alle bisher noch nicht eingeschriebenen AOK-Patienten noch im Quartal 1/2009 einzuschreiben. Als Gegenleistung für das Entgegenkommen der AOK bitten wir Sie nochmals, eine entsprechende Codierung bei den AOK-Patienten vorzunehmen. Nur eine AOK, die entsprechende Zuweisungen über den Risikostrukturausgleich erhält, kann diesen Vertrag auf Dauer bedienen. Wir werden diesen Vertrag den Ersatzkassen und den Betriebskrankenkassen mit der Bitte um Unterschrift zuleiten. Sollten sich diese verweigern, sehen wir keine Möglichkeit mehr, deren Versicherte auf Dauer – außer im Notfall – zu behandeln. […]» Der Brief endet mit Wünschen zum bevorstehenden Fest und einem guten Rutsch in das neue Jahr. So gesehen, kann das  Codiersystem im Gegenzug ein Dank vonseiten der  Ärzteschaft für gute Honorierung sein. Natürlich verlassen sich Kassen nicht darauf und haken teilweise sehr intensiv in den Praxen nach. Nicht vergessen, egal, was ich hier aufzähle, es geht immer darum, den Geldfluss am Laufen zu halten. Der kranke Patient ist das Produkt, ohne den es  (dummerweise) nicht funktioniert.  So kann ein Diabetiker mit einem Kratzer am Fuß zur geldbringenden Diagnose «Diabetes mellitus mit Diabetikerfuß» werden. Also, was ist neu an der Aussage des TK Chefs? Seit 2009 weiß ich, es wird codiert und DMP eingeschrieben, dass die Fuge kracht!  Es wurde auch laut darüber gesprochen, dass es ohne das offene Ventil im Gesundheitsfond in Richtung Kasse keinen anhaltenden Geldfluss auf die  Ärztekonten gebe. So gesehen,sind Kassen und  Ärzte  in dem Fall Codieren zwei Angler, die beide denken, sie hätten einen dicken Fisch an der Angel! Für mich ein eindeutiger,gefährlicher Systemfehler, begleitet von einer hohen kriminellen Energie! Wetten auch diese, vom TK Chef gezielt lancierten Schlagzeilen werden untergehen. Warum? Weil Ärzte und Kassen systembedingt eine Symbiose darstellen, niemand bereit ist, an die tatsächlichen Ursachen im zementierten SGB V (Sozialgesetzbuch 5) zu gehen. Und zu viele von uns Kassenpatienten sich mit dem Satz “kann man ja doch nichts machen” zufrieden geben!!! 

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